Was ist SEE++ |
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SEE++ ist ein neuartiges Simulationssystem zur Vorhersage von klinischen Operationsergebnissen, sowie zur Darstellung von pathologischen Situationen im Bereich der Strabismus Chirurgie. Das System basiert auf einem hoch entwickelten mathematischen Simulationsmodell (biomechanisches Modell), welches das Verhalten des menschlichen extraokulären Augenapparates realistisch nachbildet und somit eine experimentelle Plattform für die Simulation von Pathologien und die Evaluierung von Eingriffen bereitstellt.
SEE++ ist ein biomechanisches System für die interaktive dreidimensionale Simulation und Visualisierung von Augenmotilitätsstörungen und deren operativer Korrektur.
SEE++ bietet:
•kompakte, anschauliche und damit gut verständliche Wissensvermittlung in Lehre und Ausbildung,
•wissenschaftlich orientiertes Vorgehen für die Praxis,
•grundsätzliche Hinweise und zahlreiche Beispiele,
•Basis für eigene Überlegungen zur Diagnostik und operativen Korrektur von Augenmotilitätsstörungen.
SEE++ ist geeignet für eine Vielzahl von Anwendern:
•Ophthalmologen, Fachärzte sowie OrthoptistInnen können SEE++ bei der Unterstützung von Messungen und zur Diagnose und Archivierung von Pathologien verwenden.
•Wissenschafter im Bereich der Ophthalmologie, Strabologie und Neurologie, Pädiater sowie Wissenschafter im Bereiche der Biophysik verwenden SEE++ als umfangreiches wissenschaftliches Werkzeug zur Untersuchung der Mechanik von Augenbewegungen.
•Lehrern bietet SEE++ durch die anschauliche Darstellung eine wesentliche Unterstützung um grundsätzliche Abläufe von Augenbewegungen besser vermitteln zu können. Studenten haben die Möglichkeit, mit SEE++ ihr Erlerntes anschaulich aufzuarbeiten, zu kontrollieren und eigene, vertiefende Ansätze interaktiv zu erarbeiten.
SEE++ ist ein biomechanisches Modell
Der interdisziplinäre Forschungsbereich der biomechanischen Modellierung beschäftigt sich mit der computerunterstützten Modellierung von anatomischen Strukturen des menschlichen Körpers. Die hier vorgestellte Forschungsarbeit SEE-KID (Software Engineering Environment for Knowledge-based Interactive eye motility Diagnostics) fokussiert auf die virtuelle Repräsentation des extraokulären Bewegungsapparates im Sinne eines funktionalen Modells der Augenmotilität für die Applikation in der Strabologie.
Blickt man auf die Geschichte der Modellentwicklung im Bereich des Strabismus, so fällt die starke mathematische Implikation und die damit fachübergreifende Komplexität dieses Themenbereiches auf. Besonders in Lehre und Ausbildung im Gebiet der Ophthalmologie ist ein detailliertes Verständnis für die Mechanik der Augenbewegungen sowie der funktionellen Zusammenhänge der Anatomie des Bewegungsapparates im Hinblick auf Diagnose und Therapie von Augenmotilitätsstörungen von bedeutender Relevanz. Das hier vorgestellte computerunterstützte Simulationssystem SEE++ soll es dem Mediziner, im Vergleich zu einem gewähltem Normmodell, ermöglichen, pathologische Augenfehlstellungen am Computer nachzustellen, grafisch dreidimensional zu visualisieren, sowie die Auswirkungen von chirurgischen Eingriffen an den Augenmuskeln zu berechnen und interaktiv darzustellen. Auf diese Weise kann der Chirurg bereits am Computer den Trend eines muskelchirurgischen Eingriffs erfassen und damit für einen Patienten mit großer Wahrscheinlichkeit den jeweiligen optimalen Eingriff bestimmen. Durch das modellmäßige Erfassen von Augenmotilitätsstörungen und möglichst exakte Verstehen der zu Grunde liegenden Mechanismen sollen Mehrfachoperationen vermieden werden.
Die biomechanische Modellierung wird als ein Teilgebiet der Mechanik definiert. Es setzt sich mit Effekten dynamischer Kräftebeziehungen des menschlichen Körpers auseinander. Die Grundlage für den Entwurf solcher Modelle ist die Kombination von Disziplinen der Physik mit Bereichen der Biologie und Physiologie. Das Studieren mechanischer Abläufe des menschlichen Körpers mit Hilfe mathematisch-physikalischer Methoden kann auch im weitesten Sinne der neu entstandenen wissenschaftlichen Disziplin der Bioinformatik zugeordnet werden.
Die Modellierung der Wirkungsweise des okulomotorischen Systems basiert auf detaillierten Kenntnissen der anatomischen Strukturen und wurde in ersten einfachen Modellen bereits im 19. Jahrhundert beschrieben. So wurden erstmals von Volkmann in umfangreichen Messungen die Ansätze und Ursprünge aller extraokulären Muskeln bestimmt. Danach hat Krewson die prinzipielle Wirkungsweise der Augenmuskeln in einer ersten sehr vereinfachten Form durch das Fadenmodell beschrieben. Von Boeder wurde die Mathematik des Fadenmodells in eine grafisch anschauliche Notation überführt (Muskelwirkungsverteilungsdiagramme), die auch heute noch in Klinik und Wissenschaft verwendet wird. Ein erstes Modell, welches auch bewegungshemmende Strukturen von Augenmuskeln berücksichtigte, wurde als Bändermodell 1975 von Robinson veröffentlicht. Eine Verstärkung dieser Muskelfixation führte zur Definition des verschärften Bändermodells durch Kusel und Haase 1977. Mit der Entdeckung von Pulleys als funktionelle Elemente wurde ein neues, erweitertes Modell der Augenmotilität mit dem Namen Orbit™ als erstes kommerziell verfügbares biomechanisches Simulationssystem für Augenmuskeloperationen von Joel Miller im Jahr 1994 vorgestellt (siehe [Miller 1999]), das im Vergleich zu älteren Modellen und klinischen Vergleichsdaten in seiner Ergebnistreue wesentlich realistischere Prognosen liefert.
Neueste Studien haben jedoch gezeigt, dass Pulleys nicht nur den Muskelpfad bestimmen und stabilisieren, sondern sich auch die Pulleyposition leicht mit der Blickposition ändert. Dadurch wird die Zugrichtung des Augenmuskels beeinflusst. Dies sieht man an den Krümmungen des Muskelpfades in den verschiedenen Blickpositionen. Demer et. al. demonstrierten in einer Studie, dass sich die Pulleyposition bei der Kontraktion des Augenmuskels nach hinten und bei Relaxation (Entspannung) nach vorne bewegt. Man spricht von einem "anterior – posterior shift" der Pulleys. Diese so genannte "Active-Pulley-Hypothese" wird auch durch weitere Studien unterstützt und wurde im SEE++ System in Form des Active-Pulley Modells umgesetzt. SEE++ ist somit das erste Simulationssystem, welches die "Active-Pulley-Hypothese" implementiert.
Für die Güte eines biomechanischen Modells sind die Eigenschaften der klinischen Ergebnistreue und der dynamischen Erweiterbarkeit von größter Bedeutung. Ein existierendes Modell kann erst dann als relevant berücksichtigt werden, sobald die funktionellen Eigenschaften tendenziell den klinischen Erfahrungen entsprechen. Weiters ist die Modellstruktur so zu gestalten, dass neue physiologische oder biologische Erkenntnisse, ohne das Gesamtmodell zu invalidieren, im Sinne zusätzlicher Erweiterungen berücksichtigt werden können. Um solche Strukturen in einem computergestützten Modell realisieren zu können, benötigt man zusätzliche Methoden des Software Engineering.